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25. Februar 2021 – Februar-Plenum

Schulsystem: „Ländervereinbarung“ geht vielen nicht weit genug

Ein neues von der Kultusministerkonferenz erarbeitetes Konzept soll die Bildungssysteme der 16 Bundesländer angleichen. Die Idee sei gut, hieß es dazu im Landtag, aber viele zentrale Punkte würden nicht aufgegriffen.

von der Heide, Tobias CDU
Tobias von der Heide (CDU): Länder übernehmen ihre im Grundgesetz verankerte Verantwortung. Foto: Michael August

Die Unterschiede zwischen den Schulsystemen der 16 Länder stoßen deutschlandweit auf Kritik. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat im vergangenen Oktober die „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens“ vorgelegt, die nun den Weg zu einer größeren Einheitlichkeit ebnen soll. Das Papier stieß im Landtag auf ein geteiltes Echo. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sprach von einem „großen Erfolg“. Die KMK habe auf die „berechtigten und notwendigen Rufe nach mehr Transparenz im deutschen Bildungswesen“ reagiert. „Am Ende funktioniert der Bildungsföderalismus“, so Priens Fazit. Außer den Christdemokraten meldeten jedoch alle Fraktionen Kritik an. 

Die „Ländervereinbarung“ soll das „Hamburger Abkommen“ aus dem Jahr 1964 ablösen. Kernziel: Schüler sollen bei einem länderübergreifenden Schulwechsel „ihre Bildungslaufbahn bruchlos fortsetzen können“. In der Grundschule soll es deswegen einheitliche Standards für sprachliche und mathematische Kompetenzen geben. Im Sekundarbereich I soll das Namenswirrwarr aus Gemeinschaftsschule, Hauptschule, Realschule oder Stadtteilschule sowie aus unterschiedlichen Abschlüssen verschwinden. Die Zahl der Wochenstunden soll vereinheitlicht werden, ebenso wie die Mindeststundenzahl in Kernfächern wie Deutsch und Mathe. Die Länder verpflichten sich, ab 2023 die Hälfte der Abi-Aufgaben in Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch aus gemeinsamen Aufgabenpools zu nehmen. Ab 2025 soll das auch für Biologie, Chemie und Physik gelten.

„Die Menschen sind genervt vom Hin und Her“

Dies könne „ein Quantensprung sein, um den Bildungsföderalismus für die Zukunft aufzustellen“, lobte Tobias von der Heide (CDU). Die Länder übernähmen „gemeinsam ihre im Grundgesetz verankerte Verantwortung“. Martin Habersaat (SPD) sah jedoch bei vielen Punkten den „Geist der Vergangenheit“ am Werk. Er forderte eine „Abkehr von der Schule der Industriegesellschaft hin zur Schule der Wissensgesellschaft“, und dazu gehörten mehr Ganztagsangebote, digitales Lernen, Inklusion oder die „Schule im eigenen Takt“ – die es ermöglichen soll, im eigenen Tempo zum Abschluss zu kommen.

„Die Menschen haben die Nase voll vom Hin und Her und von den Unterschieden in der Bildungspolitik der Länder“, merkte Ines Strehlau (Grüne) an. Bildung sei eine „gesamtstaatliche Aufgabe“, und der Bund müsse sich inhaltlich und finanziell stärker einbringen können. Auch Anita Klahn (FDP) verwies auf die „große Unzufriedenheit“ bei Schülern, Eltern und Lehrern“, etwa über die marode Ausstattung der Schulen und die schleppende Digitalisierung. Sie forderte ebenfalls eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes, denn Länder und Kommunen seien „arm dran“. Zudem müssten die Themen Schulsozialarbeit und Begabtenförderung in der Ländervereinbarung aufgegriffen werden.

„Dänische Schulen profitieren vom Föderalismus“

Jette Waldinger-Thiering (SSW) bezeichnete den deutschen Bildungsföderalismus hingegen als „große Stärke“, denn er gestatte den dänischen Schulen im Lande eine eigenständige Entwicklung. Das KMK-Papier müsse das Problem des Lehrkräftemangels aufgreifen und stärker auf Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit setzen. Der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl (LKR) fordert eine „Orientierung an den Stärksten“ und verwies auf die „Erfolge“ in Bayern und Baden-Württemberg. 

Auf Druck der Koalitionsfraktionen soll Bildungsministerin Karin Prien (CDU) dem Parlament ihre Sichtweise zu den Ergebnissen der Kultusministerkonferenz (KMK), die Mitte Oktober vergangenen Jahres stattfand, darlegen. Die Minister der 16 Länder hatten eine „Ländervereinbarung“, die für mehr Einheitlichkeit und Zusammenarbeit in Deutschland sorgen soll, beschlossen. So wollen die Kultusminister die Schulausbildung und Schulabschlüsse in den kommenden Jahren deutlich vergleichbarer gestalten.

Das Vertragspapier der KMK, das noch von den Ministerpräsidenten der Bundesländer unterzeichnet werden muss, soll das 56 Jahre alte „Hamburger Abkommen“ zur „Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens“ ablösen. Es beschreibt Grundsätze und Ziele der Zusammenarbeit der Länder. Im „Hamburger Abkommen“ waren unter anderem gemeinsame Regeln der Länder zur gegenseitigen Anerkennung von Schulabschlüssen, zu Schulferien, den Schularten und der Anerkennung von Lehramtsabschlüssen festgelegt.

Länderübergreifender Pool für Abi-Aufgaben

In der neuen Vereinbarung sichern sich die Länder unter anderem zu, „durch geeignete Maßnahmen“ dafür zu sorgen, dass Schüler bei einem länderübergreifenden Schulwechsel „ihre Bildungslaufbahn bruchlos fortsetzen können“. Ein wesentlicher Punkt sind die Abituraufgaben. Hier wollen sich die Länder dazu verpflichten, eine bestimmte Anzahl der Aufgaben aus einem gemeinsamen, länderübergreifenden Pool zu entnehmen.

Eingerichtet werden soll außerdem eine „Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz“. Dieses in früheren Planungen auch „Bildungsrat“ genannte Gremium soll die Länder in Fragen der Weiterentwicklung des Bildungswesens unter anderem mit Blick auf eine bessere Vergleichbarkeit beraten.

Unterschiedliche Reaktionen

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Prien steht voll hinter den bildungspolitischen Beschlüssen der Kultusminister. Die Konferenz habe „für die Zukunft unseres Bildungssystems wegweisende Beschlüsse gefasst“, sagte die CDU-Politikerin nach der Konferenz. Mit der Verpflichtung der Länder, wesentliche Zukunftsthemen der Bildungspolitik in den kommenden Jahren mit klaren, gemeinsamen Zielen weiterzuentwickeln, werde den berechtigten Erwartungen an einen zeitgemäßen Bildungsföderalismus entsprochen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte dagegen die Inhalte der Ländervereinbarung als „Rolle rückwärts“ und „schwarzen Tag für die Bildung“. Das Papier schreibe den „Status quo einer Bildungspolitik der 1950er-Jahre West fest“, sagte die GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe. „Prüfungen werden zentralisiert und normiert, Qualität soll über noch mehr Tests und Bildungsstandards gesichert und veraltete Pädagogik jetzt auch digital betrieben werden“. Zudem sei das Thema Inklusion, das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern, zu kurz gekommen.

Die Pläne der Kultusministerkonferenz im Einzelnen

GRUNDSCHULE:
Für Kinder, die in die Grundschule kommen, sollen einheitliche Standards für sprachliche und mathematische Kompetenzen und entsprechende Förderung gesetzt werden. Dafür soll die KMK gemeinsam mit der Jugend- und Familienministerkonferenz eine Empfehlung erarbeiten. Die Länder wollen sich zudem auf einen Gesamtstundenrahmen und einen Mindeststundenumfang in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht in der Grundschule verständigen. Die Vermittlung der Schreibschrift wird betont, ebenso ein einheitlicher Rechtschreibrahmen.

NACH DER GRUNDSCHULE
Im sogenannten Sekundarbereich I – also den ersten Jahren nach der Grundschule – soll das Namenschaos in Deutschland geordnet werden. Hier gibt es in jedem Land andere Bezeichnungen: Hauptschule, Realschule, Mittelschule, Regelschule, Oberschule oder Stadtteilschule. „Zur Erhöhung der Transparenz und damit Akzeptanz prüfen die Länder die Möglichkeit einer einheitlicheren Namensgebung für die Schularten“, heißt es im Beschluss der KMK. Zudem sollen einheitliche Regelungen im Sekundarbereich I zur Wochenstundenzahl der Fächer und Lernbereiche im Pflicht- und Wahlpflichtunterricht geschaffen werden.

ABITUR:
Die Länder verpflichten sich dazu, dass ab 2023 die Hälfte der Aufgaben für die Abi-Prüfungen in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch aus gemeinsamen Aufgabenpools kommen soll. Das soll ab 2025 dann auch für Biologie, Chemie und Physik gelten. Solche gemeinsamen Aufgabenpools gibt es jetzt schon für Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch. Allerdings gibt es bisher keine Pflicht, daraus auch Aufgaben zu verwenden.

Weil die Abitur-Note zu einem großen Teil von den Leistungen vor den eigentlichen Prüfungen abhängt, soll zudem bis 2023 eine genaue Anzahl „verpflichtend zu belegender und in die Gesamtqualifikation einzubringender Fächer einschließlich ihrer Gewichtung“ festgelegt werden. Es gehe nicht darum, dass an einem Tag überall in Deutschland dasselbe Abitur geschrieben wird, sondern um mehr zentrale Elemente, hieß es.

(Stand: 22. Februar 2021)

Vorherige Debatten zum Thema:
Oktober 2020 (Situation an Schulen)
August 2020 („Lernen in Corona-Zeiten“)
Januar 2020

Antrag

Mündlicher Bericht über die Ländervereinbarung über die Grundstruktur des Schulwesens
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2552