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29. Februar 2024 – Finanzausschuss

Experten halten Landeshaushalt 2023 für verfassungswidrig

Der Haushalt für das Jahr 2023 ist verfassungswidrig, so sieht es ein Gutachten vom Wissenschaftlichen Dienst des Landtages. Mehrere Experten bestätigen das im Finanzausschuss. Aber in einem Detail differieren die Meinungen.

Zwei Stapel Zwei-Euro_Münzen sind vor schwarzem Hintergrund zu sehen.
Der Landeshaushalt des Jahres 2023 wird von Experten kritisiert. Foto: dpa, Oliver Berg

Auf Wunsch der FDP-Fraktion war die Anhörung zum Landeshaushalt 2023 im Finanzausschuss anberaumt worden, um festzustellen, ob dieser ohne einen entsprechenden Nachtragshaushalt und inklusive der Verwendung von Notkreditmitteln verfassungskonform ist. Zunächst erläuterte Oliwia Urbanski vom Wissenschaftlichen Dienst dessen Gutachten, in welchem drei Hauptpunkte aufgeführt werden. So verstoße das Vorhalten von periodenübergreifenden Rücklagen gegen die auch für die Notlagenverschuldung geltenden Grundsätze der Jährigkeit und Jährlichkeit, so Urbanski. Von solchem periodenübergreifenden Bestand von Notkreditmitteln und dessen Verwendung gehe das Landeshaushaltsgesetz 2023 aber aus.

Des Weiteren dürfte laut Urbanski auch ein Verstoß gegen die Grundsätze der Haushaltsklarheit und –wahrheit vorliegen, der durch einen Nachtragshaushalt hätte behoben werden müssen. Denn aus dem Beschluss der Feststellung einer Notsituation im Jahr 2023 ergebe sich nicht, in welcher Höhe und mit welchen Mitteln Maßnahmen zur Bewältigung der mit diesem Beschluss festgestellten außergewöhnlichen Notsituation im Jahr 2023 ergriffen wurden oder werden sollen. Und schließlich habe die Aufnahme von Notkrediten, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, aufgrund deren Höhe womöglich zunächst grundsätzlich eines Gesetzes bedurft.

Andere Länder mit Nachtragshaushalt

Mit einem noch im Jahr 2023 verabschiedeten Nachtragshaushalt hätte demnach in allen Punkten ein verfassungsgemäßer Zustand hergestellt werden können, auch andere Bundesländer seien diesen Weg gegangen. Ein Nachtragshaushalt 2023 sei allerdings nach Ablauf des Jahres nicht mehr möglich, endete Urbanski. Diesen Ausführungen schloss sich der Finanz- und Steuerexperte Prof. Hanno Kube von der Universität Heidelberg an und betonte, dass die von der Regierung als Argument vorgetragene „faktische Unmöglichkeit“, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 15. November noch bis zum Ende des Jahres einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, aus seiner Sicht nichts an der Verfassungswidrigkeit des Haushalts ändere.

Weniger eine „objektive“, sondern eher eine „subjektive Unmöglichkeit“ sah der Rechtswissenschaftler Prof. Florian Becker von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er vermutete jedoch die Möglichkeit einer nachträglichen Legitimierung. „Ich würde dafür plädieren selbst jetzt noch einen Nachtragshaushalt zu erlassen.“ Wichtig sei dabei allerdings einen inhaltlich stärkeren Zusammenhang zwischen den Einnahmen und den Ausgaben herzustellen.

Verschuldungspolitik nicht im Sinne der Verfassung

Landesrechnungshofpräsidentin Gaby Schäfer äußerte Zweifel an dieser Möglichkeit. Es sei zudem schwierig die Corona-Krise als nachträgliche Begründung einer Notlage zu nehmen, da Schleswig-Holstein bereits im Jahr 2022 einen Großteil der Corona-Kredite zurückgegeben habe – mit der Begründung, dass der Tatbestand entfallen sei. Der Haushaltsabschluss 2023 liege immer noch nicht vor, so Schäfer, niemand blicke mehr durch. „Wenn wir das nicht mehr berechnen können, dann ist es wirklich kritisch.“ Dies sei „Folge von Verschuldungspolitik und ist nicht im Sinne der Verfassung.“ Das Land befinde sich zwar in krisenhaften Zuspitzungen, dem gegenüber stünden jedoch auch hohe Steuereinnahmen im nationalen und auch internationalen Vergleich, betonte Aloys Altmann vom Bund der Steuerzahler. „Wir sind interessiert daran mitzuwirken, dass der Landtag auf den Pfad der Tugend zurückfinden möge.“

Bestätigt sah sich Annabell Krämer von der die Anhörung initiierenden FDP-Fraktion durch die Einschätzungen der Experten. „Es hätte eigentlich allen im Hause bewusst sein müssen, dass die Verfassung erheblich mit den Füßen getreten wird.“ Krämer hob als ein besonders fragwürdiges Beispiel die Finanzierung kommunaler Radwege hervor, die darin begründet worden sei, dass Radfahren gut für die gesundheitliche Verfassung sei und somit einer Korona-Erkrankung vorbeuge.

Nachtragshaushalt im Mai?

Der CDU-Abgeordnete Ole-Christopher Plambeck sagte, die Landesregierung sei bei der Entscheidung aus Zeitgründen gegen einen Nachtragshaushalt Ende des Jahres 2023 nicht davon ausgegangen, dass jener nachträglich in diesem Jahr hätte beschlossen werden können. Niemand in der Regierung habe Zweifel gehabt, dass ein Nachtragshaushalt erforderlich gewesen sei, so Oliver Brandt von den Grünen. „Wir haben die Entscheidung dagegen mit der faktischen Unmöglichkeit begründet, denn es wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden gewesen.“ Wenn es tatsächlich möglich sei, noch dieses Jahr nachträglich einen Nachtragshaushalt für 2023 zu beschließen, dann könne man das auch jetzt noch im Mai beschließen, um die Verfassungsmäßigkeit des Landeshaushalts wiederherzustellen, stellte der Ausschussvorsitzende und SSW-Abgeordnete Lars Harms in den Raum.